Muskeldehnungsreflex: So funktioniert der Muskelspindelreflex

Ausbildungskatalog Mockup
GRATIS INFOMATERIAL Ausbildungskatalog

Interesse an einer ASG Ausbildung? Dann hol dir jetzt dein Katalog - kostenlos als PDF.

Jetzt anfordern
Redaktionelle Richtlinien Warum du uns vertrauen kannst

Teilen

Ein Reflex ist definiert als eine unwillkürliche motorische Reaktion auf einen externen Reiz (Latash 2008). Der wichtigste und am meisten untersuchte spinale Reflex ist der Muskeldehnreflex. Eine Kontraktion eines Muskels erfolgt dabei infolge der schnellen Dehnung desselben. Ursprünglich ging man davon aus, dass der Reflex im Muskel selbst generiert und verarbeitet wird. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts erkannte man, dass der Dehnreflex über das Rückenmark verläuft (Pearson & Gordon 2000).

Der Reflexbogen des Dehnreflexes

Eine zentrale Rolle bei der Auslösung des Muskeleigenreflexes nehmen die Muskelspindeln ein, die in dem Regelkreis als sensorische Rezeptoren fungieren. Sie registrieren die Länge sowie die Geschwindigkeit der Längenänderung des Muskels und geben diese Informationen an Neurone im Rückenmark und das ZNS weiter. Jede Muskelspindel besteht aus einer bindegewebigen Kapsel, die intrafusale Fasern umschließt. Diese sind parallel zu den extrafusalen Fasern der Arbeitsmuskulatur angeordnet. Die kontraktilen Enden der intrafusalen Fasern sind mit den Fasern außerhalb der Muskelspindel oder mit den Sehnen verbunden. Auf diese Weise erhalten die intrafusalen Fasern Informationen über eine Verkürzung oder Dehnung des Muskels. Es können in Abhängigkeit der Anordnung der Zellkerne zwei Arten von Muskelspindelfasern unterschieden werden: Kernkettenfasern (nuclear chain fibres) und Kernsackfasern (nuclear bag fibres). Die nicht kontraktilen Mittelabschnitte der intrafusalen Fasern werden von sensorischen Nervenendigungen umschlungen.

Die sensorische Rückmeldung aus den Muskelspindeln erfolgt dabei entweder über schnell leitende Ia-Afferenzen oder über Nervenbahnen der Gruppe II. Fasern des ersten Typs winden sich vor allem um die Kernsackfasern, zum Teil aber auch um die Kernkettenfasern. Die primär sensorischen Endigungen (primary spindle endings) sind für die Muskellänge und Längenänderungen sensibel. Informationen aus überschwelligen Reizen werden über Ia-Nervenfasern zum Rückenmark geleitet. Diese Axone gehören zu den am schnellsten leitenden Nervenfasern des menschlichen Körpers. Sie sind stark myelinisiert und erreichen bei der Fortleitung von Aktionspotentialen Geschwindigkeiten von bis zu 120 m/s. Sekundäre Endigungen, die hauptsächlich die Kernkettenfasern umschlingen, sind für die Muskellänge sensitiv, jedoch nicht für die Längenänderung. Die Aktionspotentiale werden über Typ II Nervenfasern fortgeleitet. Deren Axondurchmesser ist geringer als der Querschnitt der Ia-Fasern. Die Fortleitungsgeschwindigkeit dieser Axone liegt bei ca. 20 bis 60 m/s.

Das Gamma-Motoneuronale System

Da eine Längenänderung des Muskels zu einer veränderten Empfindlichkeit der Muskelspindel gegenüber Längenänderungsreizen führen würde, kommt es infolge einer Verkürzung extrafusaler Arbeitsmuskulatur stets zu einer Verkürzung der intrafusalen Fasern. Dies wird durch das Gamma-System gewährleistet. Die intrafusalen Fasern erhalten Signale von γ-Motoneuronen, deren Zellkörper im Rückenmark liegt. Es gibt dynamische und statische γ-Motoneurone. Erstgenannte regulieren die Empfindlichkeit der primär sensorischen Spindelendigungen und innervieren somit vornehmlich die dynamischen Kernsackfasern. Statische γ-Motoneurone versorgen die, als Proportionalfühler fungierenden, statischen Kernkettenfasern.

Durch die Nachregelung der γ-Motoneurone bleibt das Empfindlichkeitsniveau der Muskelspindeln auch bei Längenänderungen des Muskels aufrecht erhalten. Dies führt dazu, dass, infolge eines Dehnreizes, der Muskel situationsadäquat reagieren kann (Boyd et al. 1977, Latash 2008a).

Ausbildungskatalog Mockup
GRATIS INFOMATERIAL Ausbildungskatalog

Interesse an einer ASG Ausbildung? Dann hol dir jetzt deinen Katalog - kostenlos als PDF.

Jetzt anfordern

Ist der Dehnreflex ein Reflex?

Tatsächlich gelang der Nachweis, dass der Dehnreflex reflektorische Anteile im EMG beinhaltet. Die Probanden führten bipedale, submaximale Hoppings auf einer Kraftmessplatte durch. Die Besonderheit der Kraftmessplatte lag in der Fähigkeit auf und ab bewegt werden zu können. Das randomisiert verteilte Anheben und Absenken der Platte erfolgte ohne dass die Versuchspersonen wussten, ob es zwischen zwei Sprüngen zu einem Anstieg oder zu einer Senkung bzw. zu keiner Höhenänderung des Untergrundes kam. Geht man davon aus, dass das ableitbare EMG der Plantarflexoren während der Hoppings auf reflektorischen Anteilen beruht, dann müsste der verzögerte bzw. den frühere Bodenkontakt ebenfalls zu einem zeitlich versetzten EMG-Muster führen. Diesen zeitlichen Versatz der Aktivitätsmuster im EMG, der in Abhängigkeit zum Bodenkontakt steht, konnten Zuur et al. (2010) belegen. Die neuromuskuläre Antwort wurde in Abhängigkeit von der Dehnung des Muskels und somit der Reizung der Muskelspindeln ausgelöst. Dies spricht dafür, dass der Dehnreflex nicht die Ausführung eines festgelegten motorischen Programmes ist, sondern, dass es sich tatsächlich um einen Reflex handelt (Zuur et al. 2010).

Boyd IA, Gladden MH, McWilliam PN & Ward J: Control of dynamic and static nuclear bag fibres and nuclear chain fibres by gamma and beta axons in isolated cat muscle spindels. Journal of Physiology, 265 (1977) 133-162.

Latash ML: Receptors. In: Latash ML (Hrsg.): Neurophysiological basis of movement (2nd ed.). Champain, Human Kinetics, 2008, 39-47.

Pearson K & Gordon J: Spinal reflexes. In: Kandel ER, Schwartz JH & Jessell T (Hrsg.): Principles of neural science (4th ed.). New York, McGraw-Hill, 2000, 713-737.

Zuur AT, Lundbye-Jensen J, Leukel C, Taube W, Grey MJ, Gollhofer A, Nielsen JB & Gruber M: Contribution of afferent feedback and descending drive to human hopping. Journal of Physiology, 588 (2010) 799-807.

4.6/5 (5 Bewertungen)
| Zum Bewerten bitte einloggen