Crossing Effekt: der kontralaterale Krafttrainingseffekt

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Kann eine Steigerung der willkürlichen Maximalkraft erzielt werden, ohne dass der entsprechende Muskel bewegt wird? Unglaublich, aber: Ja!

Wenn ein beidseitig vorkommender Muskel nur auf einer Körperseite trainiert wird, ergibt sich eine Kraftsteigerung des Muskels auf der kontralateralen Seite (Gegenseite). Dieses Phänomen wird als Crossing Effekt bezeichnet. In der Literatur wird der Crossing Effekt auch als kontralateraler Krafttrainingseffekt oder kontralateraler Transfer bezeichnet.

Die Höhe des absoluten Kraftzugewinns auf der kontralateralen, untrainierten Seite beträgt dabei im Schnitt beachtliche 7-8%.

In Relation zu dem Kraftzugewinn, der auf der trainierten Seite erzielt wird, entspricht der Crossing Effekt durchschnittlich 25%. Wird beispielsweise die willkürliche Maximalkraft des linken M. biceps brachii durch ein Krafttraining um 10 kg gesteigert, so wird der Kraftzugewinn des rechten (untrainierten) M. biceps brachii voraussichtlich 2,5 kg betragen.

Entdeckung des Crossing Effektes

Erstmalig beschrieben wurde der Crossing Effekt in einer wissenschaftlichen Untersuchung im Jahr 1894 - also bereits vor über 100 Jahren. Eine Probandin hatte die Aufgabe, einen Gummiball mit der linken Hand 10x so fest wie möglich zusammen zu drücken. Dieses Procedere führte die Studienteilnehmerin insgesamt 8x über einen Zeitraum von 13 Tagen aus – aber mit ihrer rechten Hand. Die erzielte Kraft wurde über ein angeschlossenes Handdynamometer erfasst.

Am 13. Tag wurde erneut die Kraft in der linken Hand gemessen. Zum Erstaunen der Psychologen aus Yale zeigte sich bei der Probandin ein Kraftzugewinn von unfassbaren 43% - in der Hand, die nicht trainiert wurde!

Diese oben beschriebene Studie beinhaltete allerdings noch einige Schwächen im Studiendesign. Im Anschluss an den erstmaligen Bericht dieses Effektes folgten aber zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, mit dem Ergebnis, dass der Crossing Effekt evidenzbasiert nachgewiesen wurde.

Aufbau des Studiendesigns

Der Studienaufbau bei Untersuchungen, die den Crossing Effekt näher beleuchten, ist stets ähnlich. Die maximale, willkürlich aufzubringende Kraft beider Körperseiten wird in einer Ausgangsmessung erfasst. Hierfür wird in der Regel ein Muskel herangezogen, der relativ gut isoliert trainierbar ist. Anschließend erfolgt ein hochintensives Krafttraining dieses Muskels; aber nur auf einer Körperseite. Nach der Trainingsintervention wird wieder, wie in der Ausgangsmessung, die Kraft beider Körperseiten gemessen. Der Kraftzugewinn auf der trainierten Seite ist dem Training zuzuschreiben. Der Kraftzuwachs auf der untrainierten Seite, beruht auf dem Crossing Effekt.

Crossing Effekt – Erklärungsansätze

Wie kann das sein? Welche Mechanismen stecken hinter diesem sogenannten kontralateralen Krafttrainingseffekt?

Anthropometrie und Histologie

Kraftzuwächse durch Krafttraining können maßgeblich durch Muskelquerschnittsvergrößerung (Hypertrophie), Änderung der Proteinkomposition (Muskelfaserspektrum) oder der Enzymkonzentration verursacht werden. Studien, die dies untersuchten, widerlegten aber diese Theorie als Ursache für den Crossing Effekt, da diese morphologischen Anpassungen auf der untrainierten Seite nicht nachgewiesen werden konnten.

Hormone

Es ist möglich, dass durch das einseitige Krafttraining hormonelle Adaptationen hervorgerufen werden, die systemisch auf den gesamten Körper – und so auch auf die untrainierte Seite – einwirken. Allerdings beschränkt sich der Crossing Effekt ausschließlich auf den identischen (homonymen) Muskel der Gegenseite. Wird also die Wade des linken Beines trainiert, ergibt sich ein Kraftzuwachs in der rechten Wade; nicht aber im rechten Arm.

Gewöhnungseffekt

Der Gewöhnung der Probanden an das Testprocedere wurde in wissenschaftlichen Untersuchungen, die dieser Theorie mit durchdachten Studiendesigns nachgingen, lediglich eine geringe Einflussnahme zugesprochen.

Ausgangsmessung verursacht Trainingseffekt

Ein einmaliges Training kann bereits einen Leistungszugewinn nach sich ziehen. Somit könnte die Ausgangsmessung als Training angesehen werden, wodurch potenziell Kraftzugewinne erzielt werden könnten. Dieser Superkompensationseffekt hält aber nur ein paar Tage. Da in den meisten Studien mehrere Wochen zwischen dem Prä- und Post-Test lagen, wäre die Leistungskurve wieder auf das Ausgangsniveau zurückgekehrt.

Neuronale Faktoren

Neurophysiologsiche Mechanismen stellen den wahrscheinlichste Erklärungsansatz des Crossing Effekts dar. Sowohl spinale, aber vor allem kortikale Adaptationen sind vermutlich verantwortlich für die Kraftzuwächse im untrainierten Muskel infolge eines unilateralen Trainings.

Vom Gehirn aus werden Nervenimpulse an die Muskulatur gesendet, die diese kontrahieren lässt. Umso größer die Reize sind, desto mehr Muskelfasern ziehen sich zusammen und desto größer ist letztlich die generierte Kraft (Hennemannsches Größenordnungsprinzip).

Ein unilaterales Training führt zu kortikalen Adaptationen. Durch interhemisphärische Verbindungen im Gehirn sind die Areale, die für die Steuerung von homonymen Muskeln verantwortlich sind, eng miteinander verbunden. Durch verschiedene bildgebende und elektromagnetische Verfahren, konnte belegt werden, dass die Hirnareale des untrainierten Muskels während des unilateralen Trainings des kontralateralen Muskels mitaktiviert werden. Somit ist es auch naheliegend, dass durch ein repetitives Training und die wiederholte „Mitaktivierung“ der Hirnareale, Anpassungsmechanismen resultieren, die letztlich verantwortlich für die Kraftsteigerung sind.

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Praxisrelevanz

Nun könnte man sich zurecht die Frage stellen, inwiefern dies für die Praxis relevant ist. Wenn man einen Muskel direkt trainieren kann, ist es doch wesentlich effektiver als der passive Transfer infolge des Crossing Effektes.

Vor allem aber im rehabilitativen Kontext ist diese Erkenntnis von herausragender Bedeutung. Wenn eine Extremität verletzungsbedingt nicht bewegt werden kann oder darf, dann kann man über das Training des Muskels auf der Gegenseite die Leistungsfähigkeit des lädierten Muskels steigern.

Zudem stellt diese Erkenntnis einen weiteren Einblick in das spannende Forschungsfeld der Sportwissenschaft dar und lässt uns weiter verstehen, welche komplexen Wirkmechanismen ein sportliches Training nach sich zieht.

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