Vereinsengagement Jugendlicher: soziale Einflussfaktoren

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Bereich: Gesundheitswesen

Das Sportvereinsengagement von Jugendlichen hängt von sozialstrukturellen Merkmalen ab. Diese sollen in diesem Artikel näher beleuchtet werden und die Effekte auf das Engagement im Sportverein herausgestellt werden.

Überblick

„Sportliche Aktivitäten sind für die meisten Mädchen und Jungen ein selbstverständlicher Teil des Alltagslebens. Aber nicht nur das Sporttreiben, sondern auch die damit zusammenhängenden Begleitumstände, vor allem die sozialen, sind für Jugendliche von Bedeutung.

Der Sportverein als Institution für Spiel, Sport und Bewegung ist für viele Jugendliche ein lebenswichtiger Ort für die Erfüllung ihrer vielfältigen Bedürfnisse und Interessen. Der steigende Organisationsgrad von Mädchen und Jungen in Vereinen und Verbänden steht den ebenfalls in den letzten Jahren gestiegenen Fluktuationsraten Jugendlicher gegenüber.“ (Schröder,1991, S.6)

Genau hier soll dieser Artikel ansetzen:

  • Hängt die Entscheidung über die Vereinsmitgliedschaft von sozialstrukturellen Merkmalen ab?
  • Lassen sich signifikante Unterschiede zwischen verschiedenen sozialen Faktoren feststellen?

Es soll untersucht werden, warum einige Jugendliche in Sportvereinen tätig sind und andere wiederum nicht.

Ebenso soll ein kurzer Ausblick gegeben werden, ob sozialstrukturelle Merkmale Auswirkungen auf die Wahl der Sportart haben. Zunächst soll ein allgemeiner Überblick über die heutige Situation in Sportvereinen gegeben werden.

Heutige Situation in deutschen Sportvereinen

„In Übereinstimmung mit der aktuellen Shell-Jugendstudie wird im Zehnjahresvergleich tendenziell (…) eine Steigerung des Organisationsgrades festgestellt. Mehr als 60 Prozent der 12-Jährigen und ca. 40 Prozent der 18-Jährigen sind aktive Mitglieder im Sportverein“ (Dober, 2006).

Auch wenn einige Untersuchungen eine rückläufige Tendenz der Mitgliedszahlen von Jugendlichen in Sportvereinen beschreiben (DSB, 2004), darf dabei die demographische Entwicklung nicht unbeachtet bleiben.

Aufgrund der rückläufigen Zahl der Jugendlichen mögen die Statistiken eine geringere Partizipation derselben  in Sportvereinen zeigen; dabei muss die Zahl der Jugendlichen in den Vereinen in Relation zu der absoluten Zahl von Jugendlichen gesetzt werden (Baur, Brettschneider, 1994).

Daraus könnte man dann sogar die oben genannte These unterstützen und auf einen erhöhten Organisationsgrad der Jugendlichen schließen.

So argumentieren auch Brettschneider/Bräutigam (1990). Sie sagen, dass die DSB-Statistik gemeinhin so dargeboten wird, als könne man von den absoluten Zahlen auf den Anteil der Vereinsmitglieder an der Gesamtzahl der jeweiligen Bevölkerungsgruppe schließen.

Tatsächlich müsste man die DSB-Statistik anders interpretieren: Sie weist nämlich nicht den Anteil der Sportvereinsmitglieder unter den Jugendlichen aus, sondern gibt die Addition aller Mitgliedschaften in Sportvereinen und den einzelnen Sportverbänden wieder.

Es ist folglich unzulässig, von den Mitgliedschaften auf einen entsprechend hohen Anteil von Vereinsangehörigen unter den Jugendlichen zu schließen. Gerade in dieser Altersgruppe wächst die Tendenz zur Mehrfachmitgliedschaft (Brettschneider/Bräutigam, 1990).

Die These vom steigenden Organisationsgrad müsste demnach relativiert werden (Baur, Brettschneider, 1994).

Auch wenn es einige Operationalisierungsprobleme bei den Studien zur Sportbeteiligung zu geben scheint, ist festzuhalten, dass der Sportverein unter den organisierten Sporteinrichtungen eine Spitzenposition einnimmt (Nagel, 2003, S.114ff).

Demnach könnte man den Sportverein durchaus als Garant regelmäßiger Sportaktivität betiteln (Schmidt, Hartmann-Tews & Brettschneider, 2003).

Unterschiede in der Sportvereinszugehörigkeit nach verschiedenen sozialen Faktoren

Lassen sich signifikante Unterschiede zwischen verschiedenen sozialen Faktoren feststellen, die die Mitgliedschaft Jugendlicher in Sportvereinen mitbestimmen?

Gibt es sozialstrukturelle Gruppen von Jugendlichen, die sich stärker als andere im Sportverein wieder finden?

Spielt beispielsweise das Geschlecht eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Entscheidung Sport zu treiben?

Es besteht die These, dass Jungen häufiger im Sportverein anzutreffen sind als Mädchen (Baur/Brettschneider, 1994, S.23ff).

Kann man auch heute noch einen Unterschied in der Sportbeteiligung zwischen den Ost- und Westdeutschen feststellen; es besteht die Annahme, dass mehr Jugendliche aus den alten Bundesländern Sport in einem Verein treiben (Nagel, 2003, S.116).

Oder ist dies zu vernachlässigen und es kommt eher darauf an, ob Jugendliche aus der Stadt oder ländlichen Regionen kommen?

Jugendliche in der Stadt könnten von der besseren Infrastruktur und der Auswahl von Sportarten profitieren. Allerdings finden sie sicherlich auch viele Alternativen in der Stadt, mit denen sie sich in der Freizeit beschäftigen können (Gogoll, Kurz & Menze-Sonneck, 2003, S.162).

Stehen Ausländer möglicherweise den Vereinen kritisch gegenüber, da sie eventuelle Sprachbarrieren überwinden müssen oder finden sie gerade dort Kontakt und streben in den Sportverein? Zumindest wird behauptet, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund im vereinsorganisierten Sport unterrepräsentiert sind (Boos-Nünning, Karakasoglu, 2003, S.324).

Eventuell steht der Sport im Verein eher den gut Situierten zur Verfügung, da sie über die „finanzielle Freiheit“ verfügen; oder wird der Sport gerade von diesen gemieden, weil sie sich anderen Interessen widmen?

Es scheint eine Tendenz dahin zu geben, dass mehr Jugendliche aus der mittleren und hohen Schicht sich im Sportverein engagieren, im Vergleich zu jenen aus der unteren sozialen Schicht (Gogoll, Kurz, Menze-Sonneck, 2003, S.162; Nagel, 2003, S.48).

Diese einzelnen Thesen möchte ich im Folgenden genauer betrachten. Beginnen möchte ich mit der Behauptung, dass Jungen häufiger im Sportverein anzutreffen sind als Mädchen (Baur/Brettschneider, 1994).

Faktor Geschlecht

Für Jungen scheint der Sport einen höheren Stellenwert zu besitzen als für Mädchen. Für viele Jungen gilt der Sport als wichtigste Freizeitaktivität (Baur, Burrmann, Krysmanski, 2002).  Demnach könnte man annehmen, dass es signifikante Unterschiede zwischen den männlichen und weiblichen untersuchten Personen, in Hinsicht auf die Sportbeteiligung, gibt.

Es wäre anzunehmen, dass sich Mädchen weniger am Sport beteiligen als Jungen.

Doch auch hier muss die These relativiert werden. „Nach Zinnecker ist die Entwicklung der Mitgliedschaftszahlen bei den Jugendlichen in den letzten zehn Jahren dadurch charakterisiert, dass die männlichen Sportvereinsjugendlichen eine erhebliche Schwundquote zu verzeichnen haben, während die Mädchen und jungen Frauen noch immer Zugewinne erzielen.

Diese Entwicklungstendenzen veranlassen Zinnecker, für die Jugendgeneration der 90er Jahre eine wachsende Angleichung zwischen Jungen und Mädchen anzunehmen“ (Baur, Brettschneider, 1994, S.23-31).

Dennoch scheint es immer noch so zu sein, dass es signifikant mehr Jungen in den Sportvereinen gibt.

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Faktor Ost-West

Neben den geschlechtsspezifischen Unterschieden haben Baur/ Burrmann (2003) festgestellt, dass regionale Unterschiede bezogen auf die Sportbeteiligung zu erkennen sind. Es ist eine starke Zunahme der jugendlichen Sportler nach der Wendezeit zu verzeichnen.

Diese Werte entnahmen sie den Bestanderhebungen des Deutschen Sportbundes. Dort ist ein Anstieg der in Sportvereinen organisierten Kinder und Jugendlichen im Zeitraum zwischen 1991 und 2001 um 78% (in Westdeutschland um 19%) zu entnehmen. (Baur/ Burrmann, 2003, S.558)

Auch wenn die Zahl der jugendlichen Sportler in den neuen Bundesländern seit der Wiedervereinigung beachtlich zugenommen hat, sind immer noch erhebliche Differenzen im Vergleich zu den westdeutschen Heranwachsenden zu erkennen. Die Beteiligungsquoten liegen in Ostdeutschland zwischen 10 und 20% unter denen der Altersgleichen in Westdeutschland (Baur, Burrmann, 2003, S.558).

Als Begründung für diese Ungleichverteilung führt Nagel (2003, S.116) die unterschiedlichen Sportinfrastrukturen, sowie die Ausstattung mit Sportstätten und Sportgeräten auf. Diese sind in den neuen Bundesländern nicht so ausgeprägt wie in den alten Bundesländern. Die Voraussetzungen haben sich zwar stark gebessert, weisen jedoch immer noch einige Defizite auf, die sich noch immer auf die Sportbeteiligungsquoten auszuwirken scheinen.

Auch der Vergleich von Großstädten und ländlichen Regionen weist Unterschiede in der Sportinfrastruktur zu Ungunsten der ländlichen Regionen auf (Nagel, 2003).

Es soll nun genauer untersucht werden, ob dies ebenso negative Auswirkungen auf die Sportbeteiligung hat.

Faktor Siedlungsstruktur

Auf der einen Seite haben Jugendliche, die in Großstädten aufwachsen, sicherlich mehr Möglichkeiten sich zwischen verschiedenen Sportvereinen und Sportarten zu entscheiden, aber gerade die Wahlmöglichkeit, die ja nicht nur zwischen verschiedenen Sportvereinen besteht, sondern generell zwischen dem Sportverein, den kommerziellen Sportanbietern, dem informellen Sport oder aber ganz anderer außersportlicher Aktivitäten, könnte den jugendlichen Großstädtern die Auswahl erschweren.

Gogoll, Kurz , Menze-Sonneck (2003) halten zu diesem Sachverhalt fest: „Auf dem Lande treiben prozentual mehr Kinder und Jugendliche Sport als in Ballungszentren und solitären Verdichtungsgebieten. Im Vergleich zu anderen Raum- und Siedlungsstrukturen haben ländliche Zonen mit 47,2% den höchsten Anteil an aktuellen Vereinsmitgliedern. 43,2% der Kinder und Jugendlichen aus Ballungsrandzonen, 35,9% aus Ballungszentren und lediglich 31,9% aus solitären Verdichtungsgebieten sind aktuell in einem Sportverein engagiert“ (Gogoll, Kurz & Menze-Sonneck, 2003, S.162).

Diese Zahlen widersprechen Nagels (2003, S.117) Annahme, dass die schwächer ausgeprägten Verkehrsinfrastrukturen in ländlichen Gebieten die Beteiligung am Sport nachhaltig negativ beeinflussen.

Faktor Kultur/ Migration

Wenn schon ein signifikanter Unterschied in der Sportbeteiligung Jugendlicher zwischen Ost- und Westdeutschland festzustellen ist, könnte man vermuten, dass ebenso eine unterschiedliche Sportbeteiligung zwischen den in Deutschland geborenen Jugendlichen und jenen mit Migrationshintergrund herrschen wird.

„Es wurde (…) weder die Vernetzung mit nichtsportorientierten Einrichtungen, noch die Verbindung mit den Migrantenselbstorganisationen erreicht. Es gelang auch nicht den bestehenden Vereinen die Migranten und Migrantinnen näher zu bringen, noch weniger die Migranten und Migrantinnen in die Vereine einzubinden. Auch die Gründung eigener Vereine für diese Gruppe wurde kaum vorangetrieben. Das Sportengagement und die Einbindung der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund wurde kaum nachhaltig verbessert. (…) Der Alltag im Vereinssport schafft es nicht, die Barrieren zu verringern, die Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund an einer Teilnahme hindern.

Gründe hierfür sind:

  1. Dass das Angebot nicht an der Lebenssituation an den Bedürfnissen diese Gruppe anknüpft;
  2. Dass auf religiöse Befindlichkeiten zu wenig Rücksicht genommen wird, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund ihre Sprachen und Kulturen nicht repräsentiert sehen. (….)

Eine interkulturelle Öffnung der Sportvereine und –verbände würde mehr Kinder und Jugendliche einbinden.“ (Boos-Nünning, Karakasoglu, 2003, S.324)

Der Sportverein, der eigentlich die soziale Integration unterstützen soll, scheint so eher die Differenzen größer werden zu lassen und die soziale Ausgrenzung zu unterstützen.

Faktor ökonomische Voraussetzungen

Ein Sportverein sollte neben der freiwilligen Mitgliedschaft als weiteres konstitutives Merkmal die ´Offenheit für alle´ aufweisen. Ist dies aber tatsächlich so?

Würde man Nagels (2003) Aussagen recht geben, die Reichen seien den Armen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht überlegen und wählen könne nur derjenige, der über Geld verfügt, widerspräche sich dies mit dem oben genannten.

Auswirkungen auf die Sportbeteiligung werden demnach auch die ökonomischen Voraussetzungen haben. Nagel (2003) zitiert in seiner Arbeit: „Soziale Ungleichheiten im Sport“ folgendermaßen: „Man muss wählen können, wählen kann aber nur, wer über Geld verfügt. Kein Geld zu haben bedeutet keineswegs nur eine materielle, sondern eine kulturelle ´Deprivation´“ (Nagel, 2003, S.48).

Gemeint ist damit, dass sich nicht jeder leisten kann Sport zu treiben. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht mit allzu hohen Kosten verbunden ist Sport zu treiben, muss man bedenken, dass Ausrüstung wie beispielsweise Schuhe usw., Fahrtkosten und eventuell Start- und Mitgliedschaftsgebühren ein gewisses frei verfügbares monetäres Mittel voraussetzt.

Dazu sagt Nagel (2003) auch: „So wird zur Erklärung differenter Sportengagements bzw. der Tatsache, dass Personen aus oberen Lagen häufiger Sport treiben als Personen aus unteren, zum einen auf materielle Lebensbedingungen rekurriert. Demnach könnten die mit dem Sport verbundenen Kosten eher von jenen gedeckt werden, die über ausreichend ökonomisches Kapital verfügen.“ (Nagel, 2003, S.48)

Die Konsequenz, dass sich dies auf die Kinder und Jugendliche auswirkt liegt nahe und ist logisch.

„Je höher die soziale Schichtzugehörigkeit, umso höher ist auch die Quote der Sportaktiven. Von besonderer Bedeutung für das Sportengagement von Kindern und Jugendlichen ist die soziale Schichtzugehörigkeit.

Lediglich 25,8% der Jugendlichen aus `niedrigen` sozialen Schicht sind Mitglied in einem Sportverein; je privilegierter die Schichtzugehörigkeit ist, desto wahrscheinlicher ist auch die Mitgliedschaft in einem Sportverein. In Zahlen ausgedrückt liest sich das wie folgt:

  • 25,8% aus der niedrigen Schicht,
  • 39,1% aus der mittel-unten Schicht,
  • 47,7% aus der mittleren Schicht und
  • 53,6% aus der mittel-hohen Sozialschicht und
  • 51,6% aus der ´hohen´ Schicht sind Mitglied in einem Sportverein.“

(Gogoll, Kurz & Menze-Sonneck, 2003, S.162)

Bei genauer Betrachtung der Zahlen, lässt sich, wie oben beschrieben, eine Tendenz dahingehend beobachten, dass besser Situierte häufiger Sport treiben als jene, die aus den unteren Schichten kommen. Allerdings wählen die ökonomisch gut Gestellten nicht unbedingt kostenträchtige Sportarten und Angehörige aus unteren Schichten wählen nicht zwangsläufig günstige Sportarten.

Die Wahl der Sportart in Hinsicht auf die Kosten scheint überraschenderweise nicht von der Schichtzugehörigkeit abzuhängen (Nagel, 2003, S.79).

Faktor Bildung und Beruf (der Eltern)

Angehörige aus der oberen Bildungsschicht tendieren laut Nagel (2003) zu modernen Sportarten mit wenig Körperkontakt, Gesundheits- und Naturbezug. Personen aus unteren Bildungsschichten präferieren dagegen volkstümliche Sportarten, in denen Kraft und Schmerzunempfindlichkeit demonstriert werden kann und in denen es eine kollektive Leistungskomponente gibt (Nagel, 2003, S.80).

„Gymnasiasten treiben mehr Sport als Realschüler und diese wiederum mehr als Hauptschüler. (.…) Es rekrutieren sich die aktuellen Jetzt-Mitglieder zu

  • 45% aus Jugendlichen mit Gymnasialkarriere,
  • zu 31% aus Jugendlichen mit Hauptschulkarriere und
  • zu 24% aus Jugendlichen mit Realschulkarriere.“

(Gogoll, Kurz & Menze-Sonneck, 2003, S.160)

Ein wichtiger Faktor für die Sportbeteiligung ist die Peergroup, die ihrerseits durch das eigene Sporttreiben andere dazu antreiben wird, einem Sportverein beizutreten. Durch die Erfahrungen, die in der eigenen Jugendzeit gemacht wurden, entwickeln die Jugendlichen so ihr eigenes Bild vom Sport, das wiederum an nachfolgende Generationen weitergegeben wird und sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch in der eigenen Lebensführung manifestiert (Nagel, 2003).

Ebenso sagt Nagel (2003) dazu: „Es ist davon auszugehen, dass sich bereits Akteure des Herkunftsmilieus in Abhängigkeit von der jeweils eingenommenen Lebenslage am Sport beteiligen oder eben nicht beteiligen bzw. mehr oder weniger Wert auf die Vermittlung der kulturellen Kapitalie Sport an folgende Generation legen. Insofern ist Sport durchaus als ein Gut zu betrachten, das intergenerational recht ungleich weitergegeben wird…“ (Nagel, 2003, S. 137).

Um noch einmal auf die oben genannte These zurückzukommen; der ökonomische Aspekt habe Einfluss auf die Wahl der Sportart. Diese Aussage wird teilweise von Nagel (2003) negiert: „Da sozial hoch gelagerte Personen nicht zwangsläufig teure, Angehörige unterer Klassen oder Schichten nicht unbedingt billige Sportarten bevorzugen, scheint die soziale Schichtung der Sportarten eher durch die Variablen Bildung und Beruf und weniger durch den Preis erklärbar zu sein“ (S. 78).

Auch für das Sportengagement von Kindern bleibt die soziale Lage der Eltern bedeutsam, wie Cachay und Thiel (1995) unter Berücksichtigung eines neuen Organisationsmodells für den Kindersport in Sportvereinen herausgearbeitet haben.

Die im Rahmen einer Studie ermittelten Befunde belegen, dass die unter der Trägerschaft von Sportvereinen stehenden Kindersportschulen „entlang der Variablen Einkommen, Bildung und Berufsprestige sozial selektieren. Unter den Eltern der Kindersportschüler dominieren die ökonomisch gut situierten Akademiker, deren Berufen auch heute noch ein hoher gesellschaftlicher Status zugesprochen wird. Dieser Befund gilt (…) weitgehend unabhängig von anderen Einflussfaktoren, für alle Schulen“ (Nagel, M., 2003, S.75 zitiert nach: Cachay & Thiel, 1995, S.458)

Faktor Alter

Durch die zeitliche Vorverlagerung der Jugendphase steigen laut Brinkhoff (1998) die Möglichkeiten sich am Vereinssport zu beteiligen. Auch die längere Dauer der Ausbildung und der zunehmend spätere Eintritt in die Ehe wirken sich in Bezug auf das Sporttreiben positiv aus (Brinkhoff, 1998, S.26).

Das sportliche Engagement des Kindes fordert nach Nagel (2003) auch immer einen gewissen Zeitaufwand für die Eltern, die das Kind ab und zu zum Training oder zum Wettkampf fahren müssen. Demnach spielt die Haushaltskonstellation eine große Rolle. Alleinerziehende Eltern, Eltern mit kleinen Kindern oder Eltern, die sehr viel Zeit in den Beruf investieren, haben weniger Zeit für das Familienleben. Ab einem Alter von 14 bis 17 Jahren wirkt sich das Sporttreiben der Kinder auf die Eltern aus, die ebenfalls zum Sport animiert werden (Nagel, 2003, S.137f).

Mit dem Erreichen der Pubertät, wird sich das sportliche Interesse vieler Jugendlicher ändern. Dies geschieht nach Nagel (2003) meist bei den Mädchen etwas früher als bei den Jungen. In dieser Lebensphase ändern sich die Interessen der Jugendlichen und einige werden lieber andere Dinge tun als ihre Zeit im Sportverein zu verbringen. Einen weiteren Absprung vieler Jugendlicher ist im Alter zwischen 17 und 19 zu erwarten, da dann für viele das Abitur oder die Ausbildung hinter sich gebracht wurde und das Arbeitsleben beginnt. Hinzu kommt, dass in diesem Alter einige Jugendliche das Elternhaus verlassen und in ihre erste eigene Wohnung ziehen. Die damit verbundenen unter anderem zeitlichen Verpflichtungen, bringen einige Jugendliche zum Aufgeben ihrer ausgeübten Sportart im Verein (Nagel, 2003, 138).

„Jugendliche sind sportlich aktiver als Kinder. (….) In den Jahrgangsstufen 11 und 13 gehen die Organisationsgrade (…) zurück. Pointiert formuliert könnte man sagen: Bereits im Kindesalter treten viele Heranwachsende in die Vereine ein, noch als Jugendliche kehren sie diesen wieder den Rücken zu.“ (Gogoll, Kurz & Menze-Sonneck, 2003, S.159)

Zusammenfassung

Es bleibt festzuhalten, dass die Entscheidung über die Sportvereinsmitgliedschaft von sozialstrukturellen Merkmalen abzuhängen scheint. Dabei wirken sich einige Faktoren eher positiv, andere wiederum eher negativ auf die Entscheidung als Jugendlicher Mitglied in einem Sportverein zu werden, aus.

Zusammenfassend kann festgehalten werden:

  • Es treiben mehr Jungen als Mädchen Sport (Baur, Brettschneider, 1994).
  • Es bestehen immer noch Unterschiede in der Sportbeteiligung zwischen Ost- und Westdeutschland zugunsten der alten Bundesländer (Baur, Burrmann, 2003, S.558).
  • Es treiben mehr Jugendliche in ländlichen Regionen Sport als in Ballungszentren und solitären Verdichtungsgebieten (Gogoll, Kurz & Menze-Sonneck, 2003, S.162).
  • Jugendliche mit Migrationshintergrund stellen in Sportvereinen noch eine Minderheit dar (Boos-Nünning, Karakasoglu, 2003, S.324).
  • Gut situierte Eltern, können ihren Kindern eher die Möglichkeit bieten, sich aktiv in einem Verein zu beteiligen (Gogoll, Kurz & Menze-Sonneck, 2003, S.162).
  • Gymnasiasten treiben häufiger Sport im Verein als Hauptschüler (Gogoll, Kurz & Menze-Sonneck, 2003, S.162).
  • Und auch das Alter ist einflussnehmend auf die Sportbeteiligung. In einigen Lebensabschnitten der Jugendphase wird sich eher am sportiven Vereinsleben engagiert als in anderen (Gogoll, Kurz & Menze-Sonneck, 2003, S.159).

Ausblick

Ich möchte abschließend das eingangs verwendete Zitat aufgreifen:

„Sportliche Aktivitäten sind für die meisten Mädchen und Jungen ein selbstverständlicher Teil des Alltagslebens. Aber nicht nur das Sporttreiben, sondern auch die damit zusammenhängenden Begleitumstände, vor allem die sozialen, sind für Jugendliche von Bedeutung. Der Sportverein als Institution für Spiel, Sport und Bewegung ist für viele Jugendliche ein lebenswichtiger Ort für die Erfüllung ihrer vielfältigen Bedürfnisse und Interessen“ (Schröder, 1991, S.6).

Dieses Zitat stammt aus dem Jahr 1991; dennoch habe ich es aufgegriffen, da es meiner Meinung nach auch heute noch die Situation widerspiegelt.

Sportvereine sind Institutionen, die nicht wegzudenken sind. Die eingangs formulierte Frage, ob die Sportbeteiligung Jugendlicher von sozialstrukturellen Merkmalen abhänge, ist zu bejahen.

Es scheint unterschiedliche Zugangschancen für verschiedene Personen zu geben. Einige Personengruppen sind in Sportvereinen signifikant unterrepräsentiert im Gegensatz zu anderen (Nagel, 2003). Ebenso scheinen sozialstrukturelle Merkmale Auswirkungen auf die Wahl der Sportart zu haben.

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