Paired Associative Stimulation: Was ist das?

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Das menschliche Nervensystem ist zu massiver funktioneller Reorganisation sowie zu kurz- und langfristiger Anpassung fähig (Hebb 1949). Ein Verfahren mit dem dies nachgewiesen werden konnte, ist die Paired Associative Stimulation (PAS). Bei dieser Methode wird eine elektrisch induzierte Stimulation eines peripheren Nervens mit einer synchronen Transcraniellen Magnetstimulation (TMS) über dem motorischen Kortex gepaart (Castel-Lacanal et al. 2009, Huber et al. 2008, Meunier et al. 2007, Stefan et al. 2002, Stefan et al. 2000).

Laut Stefan et al. (2000) resultieren infolge der PAS-Intervention vor allem kortikale Anpassungserscheinungen, die sich in einer persistierenden Änderung synaptischer Interaktionen äußern. In den Untersuchungen wurden mittels TMS motorisch evozierte Potentiale (MEPs) ausgelöst. Um Änderungen der kortikalen Erregbarkeit infolge der PAS-Intervention zu überprüfen, wurden sowohl vor und nach der kombinierten Stimulationsmethode MEPs im m. abductor pollicis brevis gemessen. Infolge der peripheren Nervenstimulation über dem n. medianus wurde mit 25 ms Verzögerung per TMS ein motorisches Signal über dem kontralateralen motorischen Kortex evoziert. Die zeitliche Latenz zwischen der peripheren und transkraniellen Reizauslösung ergibt sich aus den Nervenleitgeschwindigkeiten. Das am Arm ausgelöste afferente Signal benötigt ca. 20 ms bis es den somatosensorischen Kortex erreicht und anschließend ca. 3 ms bis der Reiz im motorischen Kortex  ankommt. Als Intervention wurden auf o.g. Art und Weise 90 gepaarte Stimuli erzeugt. Die Gesamtdauer der PAS betrug 30 min bei einer Stimulationsfrequenz von 0,05 Hz. Daraus ergibt sich eine Gesamtzahl von 90 kombinierten Reizen. Das Resultat der halbstündigen Intervention war eine Erhöhung der MEPs im M. abductor pollicis brevis. Die Verstärkung der am Muskel gemessenen Signale rangierte zwischen +5 % bis +185 % und lag im Durchschnitt bei 55 %. Die Variation der Interstimulusintervalle (ISI) zeigte, dass sich statistisch signifikante Änderungen der Erregbarkeit nur bei 25 ms zeigte und nicht bei 100 ms, 525 ms oder 5000 ms. Die Persistenz der Veränderung war über 60 min stabil. Eine Messung nach 24 Stunden ergab, dass die Erregbarkeit wieder auf das Ausgangsniveau zurück gegangen ist. Die Messung von MEPs am m. abductor minimi, m. biceps brachii, m. tibialis anterior und dem ipsilateralen m. abductor pollicis brevis ergab, dass in den beiden letztgenannten Muskeln, die am weitesten vom kortikalen Repräsentationsgebiet des  m. abductor pollicis brevis entfernt liegen, jegliche Adaptationen fehlen. Die größte interventionsbedingte Erregbarkeitssteigerung erfolgte im kontralateralen m. abductor pollicis brevis. Dies weist auf eine topographische Spezifität der Anpassungserscheinungen hin. Der Vergleich, der vor und nach den 90 gepaarten Stimuli gemessenen F-Wellen, ergab keinen Unterschied (Stefan et al. 2000).

Eine F-Welle ist das Resultat aus einer supramaximalen Reizung eines peripheren Nervens. Dies führt zu einer antidromen Reizleitung entlang des α-Motoneurons, infolgedessen es am Axonhügel zu einer retrograden Erregung kommt und der Reiz wird wieder zum Muskel zurück geleitet (Latash 2008a). Aus der Änderung der F-Wellen-Amplitude können Rückschlüsse auf spinale Erregbarkeitsänderungen geführt werden (Mercuri et al. 1996). Aus fehlenden Änderungen der F-Wellen nach der PAS-Intervention leiten Stefan et al. (2000) ab, dass die Anpassungen nicht auf spinaler, sondern auf kortikaler Ebene stattgefunden haben müssen. Da die erhöhte Erregbarkeit mit einer Persistenz von 60 min zwar relativ zeitstabil war, sich die Anpassung nach 24 Stunden als reversibel herausstellte, erscheint eine strukturelle Plastizität als unwahrscheinlich. Die mittelfristig anhaltenden Adaptationen an PAS sind daher wahrscheinlich auf eine Long-Term-Potenzierung (LTP) zurückzuführen (Stefan et al. 2000). Unter LTP versteht man eine zeitlich überdauernde Verstärkung synaptischer Übertragungen. Eine gesteigerte Übertragungseffektivität zwischen Synapsen kann sich durch eine Erhöhung der MEPs zeigen (Bliss & Collingridge 1993). Weitere Studien bestätigen die kortikalen Anpassungserscheinungen infolge von PAS (Huber et al. 2008, Litvak et al. 2007, Quartarone et al. 2006).

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Die Studie von Meunier et al. (2007), die anstatt von F-Wellen H-Reflexe zur Untersuchung der spinalen Erregbarkeit nutzten, ergab, dass sich infolge der 20-minütigen PAS-Intervention signifikante Änderungen in den H-Reflexrekrutierungskurven einstellten. Die Autoren lösten über 20 min alle 5 s einen kombinierten Reiz mittels peripherer Nervenstimulation und anschließend Transkranieller Magnetstimulation bei einem ISI von 20 ms aus. Die elektrischen Reize wurden am n. medianus evoziert und die MEPs in den Handflexoren erfasst. Die parallel zu den H-Reflexen gemessenen F-Wellen ergaben in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Stefan et al. (2000) nach der Intervention keine Abweichungen gegenüber dem Ausgangsniveau. Der H-Reflex war allerdings im Posttest gegenüber dem Praetest um 13% erhöht. Zudem ergab die Aufzeichnung kompletter Rekrutierungskurven, dass PAS zu einem stärkeren Anstieg des aufsteigenden Anteils der H-Kurve führte. Diese Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass PAS eine Modifikation spinaler Erregbarkeit auslöste. Ursächlich dafür können eine verminderte Präsynaptische Inhibition (PSI) bzw. eine Änderung der Regulierung durch kortikospinale präsynaptische Interneurone gemacht werden. Daher könnte die Steigerung spinaler Erregbarkeit kortikalen Ursprungs sein (Meunier et al. 2007). Der Grund für das Ausbleiben von Veränderungen in den gemessenen F-Wellen könnte darin liegen, dass deren erregende spinale Motoneurone sich von den MEP erzeugenden unterscheiden (Eccles 1955).

Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass PAS sowohl zu kortikalen (Huber et al. 2008, Litvak et al. 2007, Quartarone et al. 2006) als auch zu spinalen (Meunier et al. 2007) Modifikationen der Erregbarkeit führen kann.

 

Literatur

Bliss TVP &Collingridge GL: A synaptic model of memory: long-term potentiation in the hippocampus. Nature, 361 (1993) 31-39.

Castel-Lacanal E, Marque P, Tardy J, Boissezon X, Guiraud V, Chollet F, Loubinoux I & Simonetta-Maureau M: Induction of cortical plastic changes in wrist Muscles by Paired Associative Stimulation in the recovery phase of stroke patients. Neurorehabilitation and Neural Repair, 23 (2009) 366-372.

Eccles JC: The central action of antidromic impulses in motor nerve fibres. Pflügers Archiv, 260 (1955) 385-415.

Hebb DO: Organization of behavior. A neuropsychological theory. New York, Wiley, 1949.

Huber R, Määttä S, Esser SK, Sarasso S, Ferrarelli F, Watson A, Ferreri F, Peterson MJ & Tononi G: Measures of Cortical Plasticity after Transcranial Paired associative stimulation predict changes in electroencephalogram slow-wave activity during subsequent sleep. Journal of Neuroscience, 28 (2008) 7911–7918.

Litvak V, Zeller D, Oostenveld R, Maris E, Cohen A, Schramm A, Gentner R, Zaaroor M, Pratt H & Classen J: LTP-like changes induced by paired associative stimulation of the primary somatosensory cortex in humans. European Journal of Neuroscience, 25 (2007) 2862-2874.

Mercuri B, Wassermann EM, Manganotti P, Ikoma K, Samii A & Hallett M: Cortical modulation of spinal excitability: an F-wave study. Electroencephalography and clinical Neurophysiology, 101 (1996) 16-24.

Meunier S, Russmann H, Simonetta-Moreau M & Hallett M: Changes in spinal excitability after PAS. Journal of Neurophysiology 97 (2007) 3131-3135.

Quartarone A, Rizzo V, Bagnato S, Morgante F, Sant Angelo A, Girlanda P & Siebner HR: Rapid-rate paired associative stimulation of the median nerve and motor cortex can produce long-lasting changes in motor cortical excitability in humans. Journal of Physiology, 575 (2006) 657–670.

Stefan K, Kunesch E, Benecke R, Cohen LG, Classen J: Mechanisms of enhancement of human motor cortex excitability induced by interventional paired associative stimulation. Journal of Physiology, 543 (2002) 699-708.

Stefan K, Kunesch E, Cohen LG, Benecke R & Classen J: Induction of plasticity in the human motor cortex by paired associative stimulation. Brain 123 (2000) 572-584.

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